Aktuelle Seite: Home Zentren Polen Archiv Polen Polen: Archiv 2006 Dagmar Wielart: Sommerretreat in Darnkow 2006

Wieder in Berlin angekommen, schreibend zwischen Schlachtensee, Bilderbuchcafe und dem heimischen PC hin- und herpendelnd, gibt mir die von Anne ans Herz gelegte Aufgabe, den diesjährigen Retreatbericht zu schreiben, die Möglichkeit – quasi per Zoom – die reiche, bunte Zeit in Darnkow noch einmal zu betrachten. Wie schon in den letzten Jahren leitete Frauke den Sommer mit dem Dorje Drolo-Retreat ein. Es war ein kraftvoller, sehr intensiver Start in den Darnkow-Sommer, obwohl – oder weil ? – nur ein kleiner, sich jedoch als stabil erweisender Kern von Praktizierenden sich versammelt hatte (es gab ca. zehn Anmeldungen, eine harmonische Durchmischung von polnischen und deutschen Sangha-Mitgliedern, den Dorje Drolo Fans).

Die große Überraschung für mich war, dass Wenzel nach ewigem hin und her sich gegen den Geburtstag seiner Schwester fürs Kommen entschieden hatte und plötzlich vor mir stand. Und: er hatte (endlich!!!) ein funktionsfähiges Hörgerat dabei!!! Wenzel- kommunikationsfähig! Wir praktizierten energievoll, konzentriert, nach wenigen Tagen schon fast routiniert, mit viel Humor bisweilen und großer Freude. Fraukes Teachings waren tiefgründig, profund und u.a. sehr speziell.

Haenne (aus Dänemark) belebte die Tage mit lebendigen, heiteren Gesangseinlagen (sie sang wo immer man sie antraf!) und die Abende mit wunderschönem Feuer. Wir genossen eine sehr energetische, harmonische, familiäre Atmosphäre. Nach einer Woche hatten wir das Gefühl, nun tief in der Praxis angekommen zu sein und bedauerten, dass sie zu Ende war. Der Wunsch wurde wach, das nächste Mal das Dorje Drolo-Retreat auf zwei Wochen auszudehnen. Frauke war dafür offen. Da für den Sommer 2007 jedoch geplant ist, Taklung Tsetrul Rinpoche einzuladen, ist das wohl eher eine Vision für den Sommer 2008. Mal schauen... wir alle waren Frauke sehr dankbar, dass sie regelmäßig diese kostbare Zeit – einen Teil ihrer Urlaubstage- mit uns teilt.

Sie blieb noch etwas länger; die Butterlampen wurden ausgepackt – diesmal grundgereinigt(!), oh welch ein Genuss! – aufgestellt und wir bewegten uns nahtlos ins Butterlampenretreat mit seinen altbekannten Höhen und Tiefen hinein. Das übliche sommerliche Kommen und Gehen begann, das in mir immer wieder das Bild von nomadisierenden Yogis und Yoginis hervorruft, die sich einmal im Jahr an dem Ort ihres Herzens versammeln, um Austausch zu pflegen, gemeinsam zu praktizieren, Erfahrungen zu machen, karmische Arbeit zu erledigen, bevor sie sich wieder ihren jeweiligen Lebensaufgaben zuwenden und sich in der Welt verteilen. Für einige wenige war das diesjährige Butterlampenretreat von der Nachricht überschattet, dass Migme (aufgrund unglücklich verlaufener Terminierungen betreffend Pass und Visa) nicht kommen würde. Ich selbst sah darin eine Chance, eigenverantwortlich und unabhängig von der Anwesenheit einer spirituellen „Autoritätsperson“ – also erwachsen – diese Zeit fruchtbringend zu gestalten.

Für mich fühlte es sich so an, als seien wir in die Selbständigkeit entlassen worden (von Padmasambhava..., von Rinpoche...). Große Freude löste dagegen bei allen die Information aus, dass die Zeit der leidenschaftlichen Diskussionen um die effektivste Putztechnik (heißes Wasser- ja oder nein? Spülmittel? um Himmels willen bloß nicht!) der Vergangenheit angehörte: uns stand eimerweise wundervolles, rußfrei verbrennendes Palmfett zur Verfügung. die Butterlampen strahlten und wir auch, murmelten Mantras oder sangen viele Sieben-Zeilen-Gebete am Abend mit Christoph oder auf Eimern und Holzbrettern sitzend im Sommersonnenschein. Und die qualvolle Zeit der verklebten, mit jedem Brennvorgang unansehnlicher werdenden Lampen war ein für allemal vorbei. Dachten wir. Bis wir von den Restbeständen des letzten Jahres erfuhren. Unsanft auf den Boden der Putzrealität zurückgeholt, beschlossen wir schnell eine spontane Spendenaktion für mehr herrliches, weiß erkaltendes Palmfett und fügten uns schicksalsergeben in eine weitere – allerletzte!!! – Woche angefüllt mit Sojaöl. Diese Ölperiode brachte neben leisem Murren und verhaltenem Knurren und neuerlich aufflackernden Technik-Debatten auch Blüten unbezwingbaren Galgenhumors hervor, besonders zu fortgeschrittener (Nacht-)Stunde. Hier einige Auszüge:

Jacek (der Kleine) sagt, er habe so viele Mantren rezitiert, dass er vollkommene Fähigkeiten erlangt habe.
Dagmar: dann wäre es doch schön, wenn du die Lampen kraft deiner geistigen Fähigkeiten putzen würdest.
Christoph: nein, das geht nicht!
Dagmar: warum nicht?
Christoph: weil die Kräfte so stark sind, dass wir uns dann auflösen würden.

Und nachdem wir festgestellt hatten, dass es einen Versuch wert sei, die Putzlappen in Öl zu tauchen:
Susanne (fragt Ralf): wie läufts denn?
Ralf (trocken): es läuft runter!

Noch recht geistreich am Abend:
Irgendjemand: was ist das eigentlich, was wir hier machen???
Ralf: Ölwechsel. Zweimal am Tag.

Etwas weniger geistreich dann in den ersten Morgenstunden.
Susanne: die Lampe fiel mir runter,
da wurd ich wieder munter.

Ralf: die Butterlamp, die Butterlamp,
die ist mir einfach abgebrannt.

Das absolute Highlight während der Butterlampenzeit geht auf das Konto von Compas, der an einem Abend so offensichtlich mit geheimnisvollen Aktivitäten beschäftigt schien, dass es bald sehr neugierige Fragen gab, die auf ein undurchdringliches Pokergesicht prallten und mit der Forderung nach mehr Geduld abgeschmettert wurden. Es war eine Periode der langen Butterlampennächte, von denen es mehrere gab. Gegen Mitternacht tauchte er dann mit diversen prall gefüllten Plastiktüten im Lampenschein des Butterlampenhauses auf, wo wir uns in der lauen Sommernacht durch die letzten Butterlampeneimer putzten. Und plötzlich stand auf der Wiese neben uns dann ein Grill!!! Und so hatten wir unvermutet – es war wie ein sommerliches Weihnachten – gegen ein Uhr morgens ein überraschendes Grillfest mit köstlichem Fleisch und Würsten und Röstbrot und Käse. Es war unglaublich herrlich! Es war wundervoll und großartig! Und es war so lecker!!! Ein weiteres Highlight, verbunden mit Festschmaus und Gaumenfreuden, war der Geburtstag von Anias und Hondziks Tochter Drolma, zu dem alle Anwesenden eingeladen waren. Wir saßen alle um die Feuerstelle vor Anias und Hondziks Haus herum, plauderten, schauten Drolma zu, wie sie zwischen ihren Geschenken saß, passten auf, dass die Hunde uns die leckeren polnischen Würste nicht stibitzten, tranken Bier und Wein und rösteten Zucchinischeiben. Ich fand die Offenheit von Ania und Hondzik sehr schön und sehr besonders und denke, dieses Ereignis war ein wichtiger Beitrag für das von vielen neu empfundene Gefühl des Zusammenwachsens gerade auch der polnischen und deutschen Sanghagemeinschaft. Ein Fels in der Brandung war wie immer Christoph mit seiner enthusiastischen Ausdauer und seiner Unerschütterlichkeit. Er bescherte uns kühlende Momente und erfrischende Visualisationen: während wir bei 50°C (oder waren es 60°C???) die Lampen entzündeten, genossen wir kraft unseres Geistes wundervolle Minuten in phantastischen Swimming-Pools, gekachelt, angefüllt mit herrlichem türkisblauen kühlen Wasser, bis dann unsere Konzentrationsfähigkeit erlahmte und wir wieder erwachten, schweißbedeckt, klitschnass mit dem obligatorischen grauschwarzen Lappen und einer Butterlampe in den Händen in der prallen Mittagssonne. Mit seiner klangvollen, zeitweilig leicht krächzenden Stimme leitete er außerdem so manch meditative Putzphase ein, zog uns mit, oft begleitet von einer Herzenswärme ausstrahlenden Karin. Wenzel schmiss sich trotz großer Hitze mächtig ins Zeug und sorgte mit seinem mittlerweile legendären Humor und unglaublichen Energieschüben dafür, dass die immer wieder von Flaute und Ermüdungserscheinungen bedrohte Butterlampenfraktion auch die dunklen und wüstenähnlichen Strecken überdauerte. Auch Olaf verdankten wir in dieser Hinsicht viel: hätte er uns nicht immer wieder den Anblick seiner an uns vorbeiflanierenden Gestalt ermöglicht, wir hätten uns auf lange Sicht nicht von unserem einengendenTunnelblick (Lappen-Butterlampe-Kiste-Eimer-Lappen-Butterlampe-Kiste usw.) befreien können. Sein Anblick jedoch (blütenweiße Jeans – braungebrannter Körper – entspannter weiter Blick) verhalf uns nicht nur zu unverhofften kreativen Visualisationsübungen (z.b. Olaf plus blütenweiße Jeans plus braungebrannt gleich Olaf plus Surfbrett plus Darnkow gleich Olaf plus Surfbrett plus Strandflair gleich wir alle in Kalifornien am Strand gleich like ice in the sunshine… na und so weiter), sondern auch zu der immer wiederkehrenden Erkenntnis, dass alles vergänglich ist und auch der Butterlampenzeit wieder andere Zeiten folgen werden.

Der große Jacek war schöner denn je und hat genau zum richtigen Zeitpunkt frische Putzlappen gebracht: einen ganzen Sack voll mit supertoller Biberbettwäsche! Aber nicht nur rund ums Butterlampenhaus war es bunt, sondern auch in der Gompa. Richarda stand jeden Morgen bestimmt um fünf Uhr in der Frühe in der Tsogküche, die nun umgezogen und ihren provisorischen Anfängen entwachsen ist. Sie zauberte und zauberte – es war unglaublich!!! Rohkostsalate mit Dressing. ja!!! Ständig gab es neue ungeahnte Kreationen und Kombinationen in ästhetischen Variationen: gefüllte Eier, gefüllte Pfannkuchen, Partysnacks, Quarkspeisen und und und... soviel Liebe, die da durch ihre Hände geflossen ist. Jeden Tag. Immer wieder. Unermüdlich. Sie hat uns überschüttet... für eine etwas anders geartete Farbigkeit im Praxisalltag sorgte dagegen Bernhard, indem er der ja eher stiller angelegten Phase des Guru-Yoga in der großen Rigdzin eine ganz persönliche Note gab: der große Wurf gelang ihm mit dem sehr originell abgewandelten Text „... und dann löst er sich vom Kopf aufwärts und von den Füßen abwärts auf in einen Lichtball, der durch die Fontanelle....“ usw., in unserer Berliner Praxisgruppe mittlerweile ein geflügeltes Wort und unvergesslich. Unvergesslich für mich der unbändige Lachkrampf, in den mich diese Neuschöpfung hineinkatapultierte. Meine Visualisation war perfekt und so erheiternd, dass ich schließlich aus der Gompa floh, mich draußen ins Gras schmiss und noch lange von Lachanfällen geschüttelt wurde. Ich vermute, man hat mich bis in die Gompa lachen hören. And – last but not least: Susanne! Susanne, der wir klammheimlich und stillschweigend immer mal wieder, meist von ihr unbemerkt, die Schnürsenkel verknotet haben (wie Ralf, der übrigens in diesem Retreat sein Debut gab, verschmitzt formulierte). Susanne hat dieses mal ganz gewiss den Butterlampen-Aufsichtsorden verdient und sich das Butterlampen-Verdienstkreuz erarbeitet. Susanne war die Herrin nicht nur über die Zahlen, sondern auch über das brachliegende Putzpotential und zeigte uns Möglichkeiten auf, an die viele von uns nicht einmal im Traum zu denken gewagt hätten. Sie feuerte uns an, tröstete, lobte, kontrollierte und blühte in der Endphase noch einmal auf, als sie den glänzend grundgereinigten Metall-Gefäßen ihren Segen geben konnte. Unterdessen aß Lara (Susannes Tochter) viele, viele süße Kirschen, las Yeshe (Annes Tochter) viele, viele Geschichten vor, hütete Yeshes Schlaf, unermüdlich und äußerst verantwortungsbewusst. Damit Anne Zeit hatte für ihr Retreat und für so tolle Sachen wie z.B. mich auf ihrem Rücken den Weg von der Küche zum Lampenhaus hochzutragen (bei akutem Schwächeanfall), was sie tatsächlich geschafft hat. War das schön! Überhaupt waren wieder recht viele Kinder da, was das Retreat sehr belebte. So weit ich beurteilen kann, unterstützten die Mütter sich gegenseitig und wechselten sich regelmäßig ab bei der Kinderbetreuung. Und doch scheint es immer wieder schwierig zu sein, Kind und intensives Retreat miteinander zu verbinden. Vielleicht ist es sinnvoll, einmal über die Einrichtung einer Kinderbetreuung nachzudenken?

Rückblickend war das Butterlampen-Retreat eine Zeit der kleinen Wunder: die Putzkolonne schmolz und dann, wenn Verzagtheit aufkommen wollte, tauchten plötzlich wie aus dem Nichts viele, viele Hände auf und dann saßen bzw. standen da plötzlich siebzehn Menschen und irgendwie fanden morgens immer wieder einige den Weg aus dem Bett, dem Schlafsack ins Butterlampenhaus, um die Lampen anzuzünden. Am Ende und zu unser aller Überraschung konnten wir ganz entspannt in den letzten zwei Tagen 2000 Lampen putzen und zünden – und waren fertig–fertig–fertig!!! Und feierten unter prasselndem Regen, der einige Tage zuvor eingesetzt hatte, ein lukullisches Fest in der Dining Hall mit den klassischen Würsten, Bier und Wodka von Michael und feierten gleichzeitig Jaqueline, die Geburtstag hatte. In der dining hall residierte Hondzik, flankiert von einer jungen, freundlichen Frau aus Kudowa und begleitet von Ania, der in diesem Retreat die Küche übernahm. Es gab so wenige verbindliche Anmeldungen, dass das Kochen für ihn keine schwere Belastung war und wohl auch diverse negative Äußerungen über das Essen im letzten Sommerretreat, so dass diese Lösung nahe lag. Vielleicht auch das-dass ein Sangha – Mitglied das Kochen übernahm – ein Grund für die familiäre Atmosphäre, die das ganze Retreat über vorherrschte. Ich habe zwar meist selbst für mich gekocht, aber oft gekostet: es war immer sehr lecker und schmeckte gut. Auch von den anderen habe ich nur Positives gehört. Besonders berühmt waren Thunfisch-und Käsesalat. Nicht nur das Butterlampen-Retreat war erfolgreich, sondern auch – wie schon erwähnt – die polnisch-deutschen Freundschaftsbemühungen erreichten einen neuen Höhepunkt. Ein tiefes Zusammenwachsen ist spürbar geworden. Es herrschte eine andere Art von Offenheit füreinander. Neue Verbindungen wurden geknüpft und bestehende intensiviert. Der familiäre Rahmen, der dadurch entsteht, dass zwar nur noch wenige Schüler/innen von Rinpoche alljährlich wiederkommen, die jedoch stetig und verlässlich, bietet dafür einen fruchtbaren Boden. Immer mehr wissen immer mehr voneinander, ein bisschen wie auf einem Dorf. Alle werden durchsichtiger. Ich habe das so erlebt, dass die Herausforderung, sich zu stellen und konfrontiert zu werden, größer wird. Damit wächst aber auch die Chance gegenseitiger Unterstützung in ehrlichem Miteinander, womit auch ehrliche Auseinandersetzung gemeint ist. Es gab in diesem Retreat wenig Streit, eigentlich gar keinen. Was nicht heißt, dass es keine Konflikte gab. Sie wurden anders ausgetragen. Schläge unter die Gürtellinie und unachtsame Verletzungen blieben aus. Es herrschte Fairness.

Wenn ich auch manchmal bedauere, dass in den letzten Jahren nur wenige diesen wundervollen, kraftvollen Ort nutzen, schätze ich doch diese neue Qualität, die uns langsam aber stetig zu einer sich gegenseitig unterstützenden verwobenen Gemeinschaft werden lässt. Dafür bin ich zutiefst dankbar. Ich danke Rinpoche von ganzem Herzen, dass er mir diese Erfahrung möglich macht und ich finde: wir machen es gut. Wir sind gut dabei. Wir arbeiten jeder für sich und miteinander in einer offensichtlich fruchtbaren Weise. Darauf bin ich stolz. Darüber freue ich mich sehr. Eine gute und wichtige Erfahrung.

Zum Abschluss einige Statements zum Butterlampen-Retreat:

Stanislawa Wojcik-Sulyok:
In der Mitte des Retreats wollte ich abreisen, weil ich mich beleidigt gefühlt habe, aber nun reinigt sich das alles. Bei den deutschen Müttern gibt es mehr gegenseitige Unterstützung. Ich finde euch (Deutsche) mehr symbiotisch.

Ralf:
Man sieht immer, wer neu angekommen ist, weil die Augen noch trübe sind. Später werden sie klar.

Susanne:
Himmel und Hölle.

Ula:
Great sangha. People in our sangha change every year and become better and better. They are much more quiet, gentle, sensitive. First time I am not sad, that I am leaving this place, because I can feel: what I feel here, I can feel everywhere. But I am very happy to come here every year and stay here as long as possible.

Compas:
Phat!


Dagmar Wielart

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