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6. Tulku Thondup Rinpoche zum Thema: Sangha

In der Nyingmaschule gibt es zwei Kategorien von Sangha oder spiritueller Gemeinschaft, die Gemeinschaft der Mönche und Nonnen oder Entsager und die Gemeinschaft der Tantriker oder der asketischen esoterischen Praktizierer. Die Entsager betonen die Einhaltung des Zölibats, Armut und das Leben in Einsamkeit. Sich physisch von einer weltlichen Umgebung fernzuhalten, ist eine Methode, seinen Geist davor zu bewahren unter den Einfluß von Emotionen zu geraten, so daß die spirituelle Praxis nicht unterbrochen wird. Tantriker führen einen Haushalt, ohne sich von weltlichen Bedingungen fernzuhalten. Doch sie freuen sich nicht an Sinnesobjekten mit Anhaftung, sondern benutzen sie als ein Mittel zur Praxis durch die Kraft ihrer verwirklichten Weisheit. Obwohl sie mit ihren Familien zusammenleben, widmen sie ihr Leben dem Studium und der Praxis und verwandeln sie in eine Unterstützung oder ein Mittel zur Praxis. Somit sind sie gänzlich verschieden von Laien, die einen Haushalt führen, was die wahre Qualität ihres Lebens anbetrifft. 

In der tantrischen Tradition liegt die Hauptbetonung auf der geistigen Praxis, alles als rein, perfekt, Gleichmut und das Spiel der Weisheit anzusehen und anzunehmen, ohne unter die Kontrolle der äußeren Umstände zu gleiten. Unter tibetischen Buddhisten gibt es keinen, der nicht eine Einweihung in tantrische Praktiken erhalten hat, so daß selbst Mönche und Nonnen in ihrer inneren meditativen Praxis tantrisch sind. Äußerlich sind sie Entsager und innerlich Tantriker. Es gibt realisierte Tantriker, die keine emotionalen Verschmutzungen haben und deren Geist durch keinerlei äußerliche Umstände beeinflußt wird. An welche Disziplin sie sich auch halten mögen, sie sind höchste Entsager, frei von allen Verunreinigungen. In seiner wahren Bedeutung ist es schwieriger, eine tantrische Obligation beizubehalten, als entsagende Disziplin zu halten. Da die letztere physisch ist, ist es einfach sie zu bemerken und Fehler zu vermeiden. Doch die tantrische Disziplin ist geistig und ihre Möglichkeiten sind subtil und grenzenlos.

Außer bei den Nyingma gibt es keine priesterliche Gemeinschaft von Nicht-Entsagern innerhalb der tibetisch-buddhistischen Schulen. In der Sakya-Schule gibt es gewisse Einzelgänger, so wie die Thronhalter der Sakya, die Tantriker sind, doch gibt es keine nicht-entsagende Sangha oder Gemeinschaft. In der Gelug-Schule ist die erste Voraussetzung, um ein Mitglied der mönchischen Gemeinschaft oder Sangha zu werden, die, ein Entsager zu sein.

Nyingmapas haben das geringste Interesse an organisatorischen Strukturen, hierarchischen Formalitäten und theoretischer Dialektik. Sie sind mehr daran interessiert, ihr Leben der Einfachheit und Natürlichkeit zu widmen. Sie betonen besonders, die Inhalte, die sie studiert haben, auf ihren eigenen Geist anzuwenden. Die einfachste und gleichzeitig höchste und tiefste Lehre und Training innerhalb der Nyingma ist die Meditation auf die große Perfektion, die in tibetisch als Dzog chen bekannt ist, eine Methode, die den Geist zur ultimativen Leichtigkeit, dem natürlichen Zustand ohne Illusionen, führt. Es ist das schnellste und außergewöhnlichste Mittel, um die geistig produzierten Phänomene in ihre absolute Natur, nämlich Buddhaschaft, aufzulösen. Praktizierende der Großen Perfektion zeichnen sich aus durch das Erreichen des Resultats. Sie trainieren sich selbst mit natürlichen Mitteln, um den ultimativen natürlichen Zustand innerhalb kurzer Zeit zu erreichen. Jene, die in dieser Praxis geübt sind und sie zur Perfektion gebracht haben, besitzen außer, daß sie normal, einfach und angenehm in Gesellschaft sind, außerdem Klarsicht, wundervolle Kräfte und die Weisheit von Glücksgefühl und Leerheit in Vereinigung. Viele, die die Realisation dieser Praxis erreicht haben, lösen ihren sterblichen Körper während des Sterbeprozesses vollkommen auf, ohne den geringsten Rest, was ein Zeichen dafür ist, daß sie den vollständig erleuchteten Zustand, Buddhaschaft, erlangt haben.

 


 

***08/2002 ar
entnommen aus
"Die verborgenen Schätze Tibets, Eine Erklärung der Termatradition der Nyingma-Schule des Buddhismus"

von Tulku Thondup
mit freundlicher Genehmigung des Theseus Verlag, Berlin, erschienen 1994.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Jomo Gudrun.

Titel der amerikanischen Originalausgabe: "Hidden Teachings of Tibet, An Explanation of the Terma Tradition of the Nyingma School of Buddhism" erschienen 1986 bei Wisdom Publication, Boston, USA

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